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DressurKapitel 1Schulterherein: Auf dem zweiten Hufschlag |
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Gern wird Schulterherein als die
"Mutter" vieler Übungen bezeichnet. Nähezu alle Lektionen finden
dort ihren Ursprung. Ein deutliches Merkmal eines sorgfältig
ausgebildeten Pferdes sieht man in der korrekten Ausführung von
Schulterherein.
Das nebenstehende Foto zeigt gewiss kein schlechtes Schulterherein. Wichtig, dass der Betrachter von vorn oder hinten nur jeweils drei Beine sieht. In dieser Rückansicht deckt beim Schulterherein-rechts das rechte Hinterbein das linke Vorderbein. Auch gut, dass tatsächlich die Schulter des Fuchses ins Bahninnere geführt wird und nicht, wie man es leider oft vorfindet, lediglich die Hinterhand mit dem inneren Schenkel gegen die Bande gedrückt wird. So gerittene Pferde treten zwar über, Schulterherein ist es aber solange nicht, wie sich die Vorhand weiterhin - wie beim Geradeausreiten - auf dem Hufschlag befindet. |
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| Besser wäre es, bewegte sich die Hinderhand auf dem Hufschlag, während die Vorhand in etwa auf den inneren Hufschlagrand fußt. Also: nicht Hinterhand raus, sondern Schulter herein! Auf dem gewählten Foto scheint der Fuchs nicht über die fürs Schulterherein erforderliche Versammlung zu verfügen. Eine etwas nach oben wippende Kruppe lässt auf eine zu höhe Belastung der Vorhand schließen, die ja gerade durchs Schulterherein entlastet werden sollte. Der Eindruck mangelhafter Versammlung (Aufrichtung) wird durch geringes Verstellen im Genick - das rechte Ohr wird tiefer als das linke gehalten - bekräftigt. Obwohl der Sitz der Reiterin keinesfalls schlecht ist, könnten auch hier einige Veränderungen zur besseren Verständigung zwischen Pferd und Reiterin beitragen: Der äußere (linke) Bügel wird im Vergleich zum inneren zu stark ausgetreten und liegt zu weit vorn. Zwangsläufig folgt das Gewicht der Reiterin dieser Tendenz und gleitet nach außen. Das Pferd tendiert ebenfalls nach außen. Ständig versucht es, unter das Gewicht der Reiterin zu gelangen. Umgekehrt wäre es fürs Pferd günstiger: Der innere Bügel wird deutlich ausgetreten. So wird das Reitergewicht nur um einen Hauch auf den inneren Gesäßknochen verlagert. Der äußere Schenkel liegt etwas hinter dem inneren und übernimmt seine haltende (verwahrende) Aufgabe, die Hinterhand auf dem Hufschlag zu halten. Die Reiterin bleibt über dem Schwerpunkt ihres Pferdes, das nun seine Reiterin leichter trägt und die Lektion williger ausführt. | ||
Kapitel 2Schulterherein: zu steil |
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Auf diesem Foto wird das Pferd wesentlich zu "steil" geritten. Es tritt zu stark über: deutlich sieht man vier Beine. Die Lektion ähnelt mehr einem "Schenkelweichen im Trab" als dem Schulterherein. Der vorlastige Eindruck geht auch hier nicht verloren. Das Pferd geht bergab, die Vorhand wird nicht genügend durch vermehrtes Untertreten (Gewichtaufnehmen) der Hinterhand entlastet. Möglich, dass ein starkes überbautsein (die Kruppe liegt schon im Gebäude des Pferdes wesentlich höher als der Widerrist) dressurmäßiges Reiten überhaupt erschwert. Eine unruhige Schweifhaltung lässt hier schon eine gewisse Abneigung des Pferdes erkennen. Entweder gegen das Gerittenwerden überhaupt, oder bei einzelnen Lektionen, die es noch nicht sicher beherrscht. Das Gewicht der Reiterin ist auf diesem Bild günstiger platziert. Der innere (rechte) Bügel wird deutlicher ausgetreten, der innere Schenkel rutscht nicht hoch und zurück wie auf dem oberen Foto. Man kann davon ausgehen, dass nun auch der äußere (linke) Schenkel eine günstigere, weiter hinten liegende Position einnimmt. | |
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| Korrektes Schulterherein wird von
Dressurpferden verlangt, die sich etwa auf L-M-Niveau befinden. Das
Training hierfür beginnt jedoch schon wesentlich früher. Schon bei
jungen, 4-jährigen Pferden kann während der täglichen Ausbildung ans
Schulterherein gedacht werden. So wird auf der rechten Hand für wenige
Tritte das Pferd im ruhigen Arbeitstrab um einen Hauch nach innen
(rechts) gestellt. Um zu verhindern, dass nun das Pferd wegen des
ungewohnten Einstellens mit der Hinterhand nach links in Richtung Bande
ausweicht, wird der äußere Schenkel ein wenig nach hinten verlagert und
deutlich spürbar angedrückt. Das Pferd soll lediglich lernen, mit einer
nur angedeuteten Stellung drei bis vier Tritte weiter geradeaus zu
traben. Mehr nicht, keine Versammlung und kein übertreten. Wegen des
vermehrten Einsatzes des äußeren (linken) Schenkels kann es zu
Missverständnissen kommen, die das Pferd vielleicht veranlasst
anzugaloppieren. Dann wird das Pferd wieder in aller Ruhe zum Trab
pariert und ein wenig später die Übung noch einmal versucht. Diesmal
mit etwas geringerem Einsatz des äußeren Schenkels, um dem Pferd einen
deutlicheren Hinweis unseres Vorhabens zu übermitteln. Wir sollten
bedenken, dass unser Pferd nahezu ßblindß läuft und auf unsere Hilfen
reagieren muss, ohne etwas von uns zu sehen. Wir Reiter haben den
Vorteil, von oben die Reaktionen unserer Pferde zu beobachten und darauf
entsprechend schnell reagieren zu können. Die Pferde sehen jedoch von
ihrem Steuermann so gut wie nichts. Sie sollen innerhalb von
Zehntelsekunden auf Druck und Zug im vom Reiter gedachten Maß reagieren
und unter etlichen Möglichkeiten die richtige auswählen. Eine Aufgabe,
deren Schwere wir uns immer vor Augen halten sollten, reagiert unser
Pferd einmal nicht so, wie wir uns das vorstellen. Nach einem "Fehler"
überlegen wir, wie wir uns beim nächsten Versuch dem Pferd
verständlicher machen. Gelingt es uns, das Pferd auf beiden Händen im
Arbeitstrab mit einer hauchdünnen Innenstellung für wenige Tritte
geradeaus zu traben, versuchen wir die gleiche Lektion auf dem zweiten
Hufschlag oder auf der Mittellinie. Gelingt auch das in flüssiger,
gerader und zwangloser Form, kann daran gedacht werden, schon einmal
einige Trabtritte in schulterhereinartigem Traben zu probieren. Dabei
tritt das Pferd um wenige Zentimeter über, bleibt jedoch im
Kopf-Hals-Bereich nahezu gerade. Hierbei überwiegt der Einsatz des
äußeren Schenkels, weil nicht die Hinterhand des Pferdes nach außen,
sondern die Vorhand ein wenig nach innen fußen soll. Es genügt, den
inneren Schenkel gut anzulegen und das Reitergewicht leicht auf den
inneren Gesäßknochen zu verlagern. Also: Nicht beim
schulterhereinartigen Traben die Hinterhand des Pferdes mit dem inneren
Schenkel nach außen drücken. Diese Form des Übertretens hat eher mit
dem Schenkelweichen als mit Schulterherein zu tun. Wichtig ist, dass
unser Pferd im Hals schön rund und im Maul gefällig weich bleibt. Das
Pferd sollte sich weiterhin angenehm sitzen und leicht lenken lassen.
Es stört uns nicht, wenn bei einem jungen Pferd mit einer kräftigen
Halsung das Genick nicht den höchsten Punkt bildet. Junge Pferde schon
in diese starre Schablone zu pressen, ist mehr als unvernünftig.
Wichtig ist, dass unser Pferd stets mit der Stirnlinie in der
Senkrechten oder leicht davor bleibt. Es soll sich nicht aufrollen und
nicht mit der Stirnlinie hinter die Senkrechte kommen. Das Genick
nähert sich erst viel später - wie von selbst - dem höchsten Punkt,
wenn die Kräftigung der Hinterhandmuskulatur und die Fähigkeit, mit der
Hinterhand den größten Teil des Gesamtgewichts aufzunehmen, weit
fortgeschritten sind. Sobald unser Ausbildungspferd im Rücken oder im
Maul fester wird, werden die Anforderungen wieder zurückgestuft: Wir
haben eine Übung verlangt, die das Pferd noch nicht in zwangloser
Leichtigkeit ausführen konnte. Vielleicht war seine körperliche Fitness
noch nicht weit genug, vielleicht haben wir aber auch unklare Hilfen
gegeben. Geduldig sein und wieder von vorn beginnen. Wir möchten ein
angenehm zu reitendes Pferd haben, das unseren Vorstellungen leicht und
willig folgt. An einem Pferd, das Traversalen und Pirouetten
beherrscht, sich aber kaum an den Zügel stellen lässt, hat man wenig
Freude. Von tatsächlichen Empfindungen überforderter Pferde machen wir
uns nur vage Vorstellungen. Hoffentlich sind diese nicht schlimmer, als
es sich Pferdeliebhaber ohnehin schon ausmalen.
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